Schneewittchen strickt

Es war einmal ein schönes Kind mit Haut, so weiß wie Schnee und Lippen, so rot wie Blut und Haaren, so schwarz wie das Ebenholz… Bei diesen Worten denken wir an Schneewittchen, die uns im gleichnamigen Märchen der Gebrüder Grimm bestimmt schon begegnet ist. Heute möchte ich Dir ein Schneewittchen vorstellen, das Du vielleicht noch nicht kennengelernt hast.

 

Coverdownload zum Zwecke der Buchbesprechung: Verlag Freies Geistesleben / geistesleben.de

Die Ziege Schneewittchen ist ebenfalls weiß wie Schnee. Doch viel wichtiger als ihre äußere Schönheit ist Ihr SAGENHAFTES Talent.

Schneewittchen ist eine Ziege, die mit ihrem weißen Fell in schneebedeckter Landschaft kaum zu sehen ist. Sie ist so weiß, dass sich ihre Fellfarbe in der Winterwelt fast aufhebt. Ihr Äußeres ist, im Gegensatz zum klassischen Schneewittchen der Gebrüder Grimm, jedoch völlig nebensächlich. Es spielt keine Rolle, ob Schneewittchens Fell weiß ist oder sie andere Äußerlichkeiten hat, die sie in irgendeiner Form vermeintlich aufwerten. Unser Schneewittchen glänzt mit seinem KÖNNEN – Schneewittchen hat ein ganz besonderes Talent: Schneewittchen STRICKT.

Falls Ihr an dieser Stelle ungläubig und skeptisch seid, kann ich Euch das nicht verdenken. „Eine Ziege, weiß wie Schnee, die stricken kann?“ So fragen sich jetzt bestimmt Viele.

Nun ja, auch ich muss gestehen, dass ich bis vor Annemarie van Haeringens „Schneewittchen strickt ein Monster“ noch nie zuvor auf eine Ziege gestoßen bin, die schneeweiß „be-fellt“ ein Monster stricken kann. Und das war so:

Die Ziege Schneewittchen strickt gern und viel und am liebsten mit Ziegenwolle. Heute möchte Schneewittchen einmal etwas anderes stricken, als immer nur Socken. Sie macht sich also an die Arbeit und strickt, ohne großen Plan, einfach darauf los. Zuerst strickt sie ein Ziegenkind; klappert mit den Nadeln, eine Masche links, eine rechts und so weiter und schon rutscht ihr das erste Geißlein von den Stricknadeln herunter und springt munter durch den Raum.

 

Schneewittchen strickt noch ein Ziegenkind und noch eines und, wäre nicht an dieser Stelle Frau Schaf zu Besuch gekommen, hätte Schneewittchen vermutlich eine ganze Ziegenherde gestrickt.

Frau Schaf steht also da, die Vorderpfoten in die Seite gestemmt und bemängelt Schneewittchens Strickwerk:

So ein Schluderkram! Das taugt zu nichts! Mit Ziegenwolle! Maschen lässt Du fallen!

 

Frau Schaf zetert und teilt ungefragt mit, dass sie selbst besser, schöner und schneller stricke als Schneewittchen dies tue. Vor lauter Geschimpfe und Gezeter ist Schneewittchen abgelenkt und konzentriert auf Frau Schaf, jedoch nicht Ihr Gestricke. Da kommt es, wie es kommen musste: Schneewittchen strickt, eingeschüchtert durch Frau Schaf, versehentlich einen Wolf. Der springt auch schon von der Nadel und frisst Frau Schaf mit Haut und Wolle auf.

Tocke-tocke-tocke-tock, so klopft Schneewittchens Herz aus dem Wollschrank, der in letzter Sekunde als Zuflucht dient. Zitternd strickt Schneewittchen einen Tiger, Masche rechts, Masche links und so weiter, und schubst den Tiger von der Nadel und aus dem Schrank. Der Tiger frisst den Wolf mit Haut und Fell und wartet dann schmatzend vor dem Schrank. Was bleibt Schneewittchen da anderes übrig, als, mit klopfendem Herzen und klappernden Stricknadeln, noch einmal etwas sehr Gefährliches zu stricken: ein MONSTER!

An dieser Stelle ist es wichtig zu erwähnen, dass Schneewittchen nicht nur mit KÖNNEN und TALENT begeistert, sondern auch einen erstklassigen SCHARFSINN besitzt, der sie zu folgender List befähigt:

Schneewittchen strickt, Masche links, Masche rechts, Klapper-klapper-klapp und so weiter ein riesiges Monster, das nun fast (!)  fertig nur noch an der Schwanzspitze an Schneewittchens Stricknadeln hängt. Das Monster tobt aus dem Schrank und frisst den Tiger, während Schneewittchen am Wollfaden zieht und zieht und zieht: Rückwärts und von Hinten trennt sich das ganze Wollmonster auf und verwandelt sich einen großen Berg aus zerknüddeltem Wollfaden.

 

Schneewittchen zieht und zieht und zieht: das Monster, der Tiger und der Wolf verwandeln sich mit jedem Weiteren Ruck in wirre Ziegenwolle, bis Frau Schaf, bibbernd und mit gesenktem Kopf, im Wollberg steht und Schneewittchens Kunst und Talent (an-)erkennt.

Das Bilderbuch „Schneewittchen strickt ein Monster“, erschienen beim Verlag Freies Geistesleben, ist eine große Empfehlung, die mit viel Fantasie, Witz und geballten Emotionen daherkommt. Die ganzseitigen Illustrationen begeistern mit kontrastreichen Farben und frecher Strichführung. Die Dynamik und Geschwindigkeit der Geschichte ist in den Bildern wunderbar dargestellt. Die Geschichte um Schneewittchen und Ihr Stricktalent ist urkomisch, unvorhersehbar und total witzig.

 

Das Bilderbuch „Schneewittchen strickt ein Monster“ wurde mir vom Verlag Freies Geistesleben zu Rezensionszwecken zur Verfügung gestellt. Einen herzlichen Dank dafür.

Bibliographie:

„Schneewittchen strickt ein Monster“, Verlag Freies Geistesleben, Landhausstraße 82, 70190 Stuttgart, www.freiesgeistesleben.com, Text und Illustrationen: 2016 Annemarie van Haeringen, Deutsche Ausgabe 2016 Verlag Freies Geistesleben und Urachhaus GmbH Stuttgart, Druck: GCC Grafisches Centrum Cuno, Salbe, 2. Auflage 2017, Lesealter: 5 – 7 Jahre, 32 Seiten: Abmessungen: 23,2 x 1 x 28,4 cm, Kinderbuch

ISBN 978-3-7725-2784-5