Wolkenmomente

Liebe Mama, woraus sind denn Wolken gemacht?

Liebes Kind, Wolken sehen aus, als wären sie aus Zuckerwatte. Sie fliegen am Himmel entlang und verwandeln unaufhörlich ihre Form. Ich stelle mir vor, dass Wolken nach Vanille schmecken und kuschelweich sind. Wenn wir auf einer Wolke spazieren gingen, würden wir sicherlich etwas einsinken, denn Wolken sind sanft, sensibel und ein wenig nachlässig.

Manche Wolken fliegen weit oben, sind leichtfüßig und beflügelt, obwohl sie weder Füße noch Flügel haben. Andere Wolken stehen tief am Himmel, sind beladen und gesättigt von Regentropfen, schwerfällig und träge.

Es gibt verschiedene Arten von Wolken. Ich mag die Schäfchenwolken gern, die im Himmelblau aufgeplustert umhertollen und den ganzen Tag spielen wollen. Schäfchenwolken sind weiß und ein bisschen durchsichtig. Schlechtwetterwolken dagegen sind dunkel und schmollen vor sich hin. Und dann gibt es noch die Wirbelwolken, die sehr schnell am Himmel ziehen und geschäftig unterwegs sind.

Sie schlagen Purzelbäume, türmen sich auf und scheinen, angetrieben vom Wind, einem Sturm vorauszueilen. Wirbelwolken sind zielstrebig und schnell in der Luft unterwegs.

Wenn Du mit einem Flugzeug fliegst und aus dem Fenster guckst, scheint es manchmal so, als gäbe es neben Schäfchen-, Schlechtwetter- und Wirbelwolken auch noch die ganz anschmiegsamen Wolken, die aneinander kleben bleiben und aussehen, als wären sie eine riesige Wolkendecke. Wir fliegen durch eine Wolkensuppe, denken wir dann und es scheint, als wären wir samt Flugzeug eingebettet in einen weißen Teppich, der irgendwann durchreißt und die klitzekleine Erde unter sich preisgibt.

Könnte ich mir eine Wolke vom Himmel pflücken, würde ich gern mit ihr spielen. Vielleicht könnte ich auf ihr hüpfen oder sie als Wolkenpferd einspannen und mit ihr durch die Lüfte reiten.

Eine Wolke könnte ich auch in eine Schüssel legen und sie umrühren – mmmh ein luftig leichter, süßer Schaum. Noch eine Prise Süßholz-Geraspel dazu und fertig ist das Wolkenmousse.

Manchmal liegen wir auf der Wiese und schauen gemeinsam in den Himmel, mein liebes Kind. Dann beobachten wir Wolken. Und ein bisschen scheint es mir, als bliebe die Zeit in Wolkenmomenten, wie diesen, stehen.

„He, Ihr da!“, ruft uns ein kleines Wolkenschäfchen zu. „Nicht Rückwärtsdenken und Vorwärtsträumen. Hier bin ich und genau jetzt ziehe ich hier oben meine Kreise. Mal hüpfe ich als Schäfchen, mal bin ich ein Wolkenvogel oder ein Nebeldrache.“ Das Wolkenschäfchen springt übermütig im Himmelblau umher und verändert sich ein Augenzwinkern später in einen Hasen.

Liebe Mama, schau mal! Siehst Du den Wolkenhasen da oben? Du zeigst mit Deinem Finger in die Luft, mein liebes Kind, und mein Blick folgt Deiner Fantasie.

Wolkenmomente sind schön und viel zu selten. Manchmal gibt es keine Wolken am Himmel, aber eine große Sehnsucht nach Wolkenmomenten. Wenn Du genau dann das himmelblaue Wolkenbuch von Eric Carle zur Hand hast, ist es gut – sehr gut sogar, denn Wolkenmomente streicheln die Seele.

Mit „Kleine Wolke“ hat Eric Carle ein ganz wunderbares Bilderbuch vorgelegt, das in wenigen, sanften Worten von einer kleinen Wolke berichtet. Sie zieht gemeinsam mit den großen Wolken am Himmel  entlang, scheint jedoch, im Gegensatz zu ihnen, weniger vom Wind geleitet, als vielmehr von Neugierde und Fantasie.

Kleine Wolke schwebt tief nach unten, um die Häuser und die Baumkronen berühren zu können. Sie schwebt langsam, verliert die großen Wolken aus dem Blick und sich selbst in Tagträumereien.

 

Mal ist Kleine Wolke ein Schaf, das in daunenweicher Schäfchenmanier am Himmel springt, mal ist sie ein Hase, ein Haifisch oder auch ein Baum. Und weil der Hut, in den sich Kleine Wolke gerade eben verwandelt hat, dringend einen Clown an sich braucht, verwandelt sich Kleine Wolke in einen Clown.

Achtsam und unaufgeregt erzählt Carle von der kleinen Wolke und ihrer fantasievollen Reise.

 

Seine einzigartige Collagen-Technik, satte Acrylfarben, dicke Pinselstriche und strukturierte Hintergründe machen Lust, geradewegs zum Pinsel zu greifen und Wolkenbilder zu malen.

Mit „Kleine Wolke“ lädt Eric Carle zum Innehalten und Hinschauen ein. Man möchte hinausgehen und den Himmel nach Kleine Wolke absuchen und mit Imagination und Fantasie neue, eigene Wolkenbilder entdecken.

Eric Carles Komposition aus Text und Bild vereint Himmelblau und Wolkenweiß, fördert Fokussierung und macht sensibel und achtsam.

Dem Gerstenberg Verlag danke ich sehr für dieses Rezensionsexemplar, das auch unsere Musikstunden wunderbar ergänzt und mich inspiriert hat, das Lied „Wolkenbilder“ zu schreiben. Für alle meine Musikkinder und Eltern gibt es die „Wolkenbilder“ in Kürze im Notensatz, mit Gitarrenakkorden und Umsetzungsideen im digitalen Musikzimmer.

Bibliographie:

Titel: „Kleine Wolke“, Autor: Eric Carle, Illustrationen: Eric Carle, 1. Auflage 30.01.2023, Gerstenberg Verlag, Hildesheim, Maße: 250,0 mm x 180,0 mm x 8,0 mm, Hardcover, durchgehend farbig, 32 Seiten, Altersempfehlung: ab 3 Jahren (deutsche Übersetzung), Original: „Little Cloud“, 1996, Penguin Random House LLC,

ISBN 978-3-8369-6204-9