Küchenmusik

Wie ein altes Sprichwort sagt, macht „Not“ bekanntlich erfinderisch. Getreu diesem Motto hatte ich in der Musikwerkstatt in den vergangenen 3 Jahren die ein oder andere herausfordernde Situation: denn Singen war eine Zeitlang verboten und das Kurs- und Unterrichtsangebot stark eingeschränkt.
Selbst als Vereine und KiTas wieder öffnen konnten, waren wir von einem gewohnten Unterrichtsablauf weit entfernt. Dank der Flexibilität vieler Familien und der großartigen Fantasie und Kreativität meiner Musikkinder und Musikeltern entstanden wunderbare, komplett neue Kursabläufe und Umsetzungsideen.

Instrumente und Kursmaterialien, die für gewöhnlich im Kreis herumgegeben und ausgeteilt wurden, mussten nun im Musikschrank verbleiben. Alternativ dazu brauchten wir also Möglichkeiten, die jede*r zur Verfügung hatte und durch die eine Übertragung von Viren auf Oberflächen durch Weitergabe ausgeschlossen war.

Der Planung einer Musikstunde lag nun immer noch eine sogenannte Zutatenliste bei, die dazu einlud, einmal außerordentlich „hellhörig“ durch die eigenen vier Wände zu gehen und zu erkunden, welches die liebsten Alltagsorte zur Geräusch- und Klangerzeugung sind. Ganz nebenbei und fast zufällig sind wir zusätzlich zum Lehren und Lernen dadurch auch zu Musik-Gestaltern und Geräusche-Forschern geworden. Die Klanghölzer wurden durch hölzerne Kochlöffel, Bauklötzchen, geschnitzte Äste oder Teelöffel ersetzt. Der Suppentopf sorgte neben seiner herkömmlichen Funktion für Erfüllung in Sachen rhythmische Begleitung. Auch Pappkartons lösten plötzlich tiefe Freude aus, da sie, dank ihrer Vielfalt in Form und Größe, zu einem wahren Percussion Feuerwerk fähig waren. Inspiriert durch die mitgebrachten Fantasieinstrumente der anderen Kursteilnehmer*innen, schien es, als würde unser Orchester von Woche zu Woche angespornter, sich in Fantasie und Kreativität zu toppen.

Viele Alltagsgegenstände waren aus einem anderen Blickwinkel betrachtet plötzlich Ausgangspunkt für neue Klangerfahrungen. Achtsam schenkte ich den Materialien und Dingen meines Alltags gezielt mehr Aufmerksamkeit mit Blick auf deren Klangeigenschaften. Das leise Geräusch, das entsteht, wenn Sand durch die Finger rieselt oder das Knistern und Rascheln, das zerknittertes Papier von sich gibt: alles löste Begeisterung in mir aus und den großen Wunsch, eigenes Liedmaterial zu erstellen, das speziell und ganz bewusst die Kulisse für besondere Geräusche und Klänge bietet.

Um mich herum offenbarte sich eine Vielfalt an Geräuschen, die darauf wartete, ihre Klangfähigkeit in experimenteller Begleitung entfalten zu können. Lieder, wie „Ich lade Dich ein“ oder „Wir machen heut‘ ein kleines Spiel“ sind dabei entstanden und waren uns Grundlage zur Musik mit Quirl und Nudelsieb, Kochlöffel und Plastikdose. Das Lied „Meine Hand hat ein Gesicht“ lies uns erstaunt feststellen, dass die Einsatzmöglichkeiten eines gewöhnlichen Putzhandschuhs bisher gewaltig unterschätzt wurden. Und auch „der Monstertango“ zeigte uns, dass das schlichte Dasein einer bescheidenen Socke bisher nur in Bruchteilen Anerkennung gefunden hat.

Bestimmt könnt Ihr Euch vorstellen, dass die Erstellung von Pancakes in meiner Küche am Wochenende seitdem wesentlich gehaltvoller (bezogen auf das Klangspektrum) vonstatten geht.