Auf Samtpfoten

Als ich klein war, wollte ich immer Schriftstellerin werden. Noch heute erinnere ich mich, wie ich im Garten am kleinen, roten Tisch gesessen, mein Malpapier in der Mitte gefaltet und anschließend zusammengebunden habe. Beim Geschichtenausdenken und Malen waren Raum und Zeit verflogen und ich in meiner eigenen Welt. Die vielen, kleinen Bücher, die damals entstanden sind, liegen noch heute in der Erinnerungskiste. Über die selbstgebastelte Bindung kamen sie jedoch nie hinaus. Ich schmunzele und freue mich, dass Jahrzehnte später meine Kinder diese handgeschriebenen Werke bestaunen und sich mit mir freuen, wie ich Prinzessinnen und Hexen und anderen Zauberwesen Fantasie und Leben eingehaucht habe. Sie kichern und sind ebenso begeistert, dass Rechtschreibfehler und Tintenkleckse ergänzend zu einer besonderen Note beitrugen.

 

Die große Lust am Schreiben und Malen war nie vorbei. Und trotzdem haben andere Interessen und Hobbies auf verschiedenen Wegen und in unterschiedlichen Lebensphasen meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen und das Schreiben verdrängt.

So wie ich mir vorgestellt hatte, einmal Kinderbücher zu schreiben, so erzählen mir die Kinder in meinen Musikstunden auch oft, was sie einmal werden wollen. Prinzessin und Tänzerin sind bei den jüngeren Kindern sicherlich nach wie vor beliebte Zukunftsperspektiven. Und der Feuerwehrmann, Polizist oder auch Pilot scheinen, neben diversen Superhelden, ebenfalls weit oben auf der Liste der favorisierten Wunschberufe zu stehen.

Die große Frage nach dem „Was möchte ich werden, wenn ich groß bin?“ gab es also gestern wie heute. „Wer möchte ich sein?“ fragen wir uns sicherlich nicht nur im Kindesalter, sondern auf dem Weg durchs Leben an verschiedenen Weggabelungen immer wieder. Wir sind alle irgendwann und irgendwo auf der Suche nach uns selbst.

Und wie ich unlängst erfuhr, geht das nicht nur den Menschen so:

„Pitschi“ von Hans Fischer (erschienen beim Nord Süd Verlag) erzählt, liebevoll bebildert, eine Geschichte vom Suchen und Finden.

Dabei lernen wir ein kleines, feines Kätzchen mit weichem, wuscheligen Fell kennen. Schwarz, wie die Nacht ist es, die Nase schneeweiß und die Augen so groß – voller Neugier, Hoffnung und Erwartungen. Pitschi lebt bei Lisette und wird von ihr warmherzig umsorgt und gepflegt.

Lisette liebt Tiere und kümmert sich von morgens bis abends um die kleinen und großen Kätzchen auf ihrem Hof, die Geiß, den Hahn und die Hühner sowie die Kaninchen. Jedes Tier hat seinen eigenen Platz, darf Spielen und Herumtollen. Die Enten schwimmen auf dem Teich, die Kaninchen hoppeln über die Wiese und die kleinen Kätzchen haben Flausen im Kopf und Wolle zum Spielen.

Da könnte man doch glatt denken: Hier ist jeder glücklich und wünscht sich nichts anderes, als einfach nur Sein zu können.

Pitschi aber ist anders, als die anderen Katzen. Sie möchte nicht nur spielen, sondern fragt sich, wie es wohl wäre, ein ganz anderes Tier zu sein. Der stolze Hahn imponiert ihr mit seinem vornehmen, aufrechten Gang, doch er gerät in einen Hahnenstreit, was Pitschi von der Idee Hahn zu sein abbringt.

Geschmückt mit zwei langen Hörnern und einem Glöckchen um den Hals, sitzt die braune Geiß auf der Wiese. Wie es wohl wäre eine Geiß zu sein, denkt Pitschi noch, als sie plötzlich sieht, wie die Geiß gemolken wird.

Dann vielleicht doch lieber eine Ente? Aber das Wasser ist viel zu nass und schwimmen, wie eine Ente, kann Pitschi auch nicht.

Schließlich weiß Pitschi, dass es bestimmt das Allerschönste wäre, Kaninchen zu  sein. Als Pitschi bei Mondenschein im Kaninchenstall sitzt und den Fuchs trifft, macht sie vor lauter Angst ein großes Katzengejammer. Sie jammert um ihr kleines, samtpfotiges Katzenleben, bis schließlich die liebe Lisette kommt und sie rettet.

Dieser Schreck ist nicht so schnell verdaut. Pitschi muss gepflegt und gehegt werden, wird von allen Seiten liebkost und auf weichen Kissen durch die Gegend getragen. Als es obendrein ein großes Fest für Pitschi gibt, weiß sie ganz genau:

das Allerschönste ist es Kätzchen zu sein.

„Eine traurige Geschichte, die aber gut aufhört“ beschreibt Hans Fischer seine Erzählung, die sich als Schweizer Kinderbuchklassiker einen Namen gemacht hat.

Und obwohl die Erstausgabe 1948 schon etwas betagt ist, wirkt die Geschichte von Pitschi keineswegs alt. Frisch und absolut aktuell kommt sie daher. Denn, wie bereits erwähnt:

Wer möchte ich sein?“ fragen wir uns sicherlich nicht nur im Kindesalter, sondern auf dem Weg durchs Leben an verschiedenen Weggabelungen immer wieder. Wir sind alle irgendwann und irgendwo auf der Suche nach uns selbst.

In unseren Musikkursen haben wir Pitschis Geschichte in Musik umgesetzt. Der Katzenrhythmus auf der Trommel und unser Stopp and Go Spiel mit der Djembe (zu dem wir als Katze geschlichen, gesprungen und getanzt sind) haben das Lied „Das kleine Kätzchen Pitschi“ kreativ umrandet.

In einem weiteren Blog Beitrag werde ich auch eine kleine Malaktion, passend zum Kinderbuch von Hans Fischer vorstellen, zu der wir nach Musik malen und mit Wolle spielen, wie die kleinen Kätzchen bei Lisette auf dem Hof.

 

Übrigens hatte ich für die Rezension von Pitschi extra ein Date mit Coco, die sich bereiterklärte, mir als Foto Model zur Seite zu stehen. Ein paar Schnappschüsse seht Ihr hier: